Konzertante klangliche Kostbarkeiten

ANDRÉ-JUBILÄUM – Violinduo und Vokalquartett mit Hochkarätern aus Archiv

VON KLAUS ACKERMANN

Offenbach – Hochspannend schon der Auftakt: Zum 250-jährigen Bestehen des Musikverlags André weckten ein Violinduo und ein Gesangsquartett in der Französisch-Reformierten Kirche klangliche Preziosen aus dem Archivschlaf. Dritter im kammermusikalischen Verbund war Offenbachs Kulturchef Ralph Philipp Ziegler, der die Raritäten aus Mozarts Verlagsheimstatt kenntnisreich erläuterte.

Am Anfang steht ein hauseigenes Opus. Johann Anton André, Chef in zweiter Generation, war nicht nur ein gewiefter Geschäftsmann, sondern auch ein weltgewandter und weitsichtiger Komponist. Mozarts Nachlass hat er erworben, den Steindruck-Erfinder Alois Senefelder nach Offenbach gelockt und dafür gesorgt, dass fortan Musik, damals ein höfisches Privileg, per erschwinglicher Notendrucke auch in bürgerlichen Wohnstuben gespielt wurde.

Sein Grand Duo Nr. 1, beim vor zwei Jahren gegründeten André-Duo in besten Geigerhänden, zeigt, dass der Verfasser zwar Mozart noch im Ohr hatte, aber die Romantik schon grüßen lässt. Tomasz Tomaszewski und Pjotr Niewiadomski, historisch informiert, sind bewährte Konzertmeister, prädestiniert für ein Duo von solch starkem Durchzug. Mit geschlossenen Augen meint mancher in der großzügigen Kirchenakustik ein Streichquartett zu hören.

Die Wechsel zwischen mozartnahem Serenadenton und dramatischem Aufschwung sind gespickt mit spielerischem Raffinement, das zeigt, auf welch hohem Niveau Hausmusik vonstattenging. Eine Arie mit delikater Triolenbegleitung rückt den Melodienerfinder ins rechte Licht. Aufs Minuetto könnte Mozart beim Besuch in der Küche der Andrés „gewalzert“ haben – wie eine Legende zu wissen glaubt.

Von den Goethe-Gedichten „Wanderers Nachtlied“ („Der du von dem Himmel bist“ und „Über allen Gipfeln ist Ruh“) hat sich Bolko Graf von Hochburg (1843-1926), Festspielgründer, Generalintendant der königlichen Theater und leidenschaftlicher Komponist, zu Liedern inspirieren lassen, die in Sachen harmonisch-klanglicher Farbpracht schon der Spätromantik verpflichtet sind. Die Natur ist Gleichnis für seelische Befindlichkeiten.

Magdalena Tomczuk-Niewiadomska (Sopran), Julia Mattheis (Mezzosopran), Pere Pou Llompart (Tenor) und Oliver Brunel (Bariton), im gepriesenen Frankfurter Opernchor gestählt, zeigen Sinn für feinfühligen, auch dramatisch hochwertigen Gesang. Intonatorisch makellos und mit beseeltem Ausdruck nimmt das „Voc’n’semble“ seine Zuhörer gefangen. Bei Goethes „Schäfer“, einem Faulenzer, der sich unsterblich verliebt hat, ist sogar ein wenig augenzwinkernde Ironie im fein artikulierten Gesang zu vernehmen. Wiederhören wäre schön.

Final legen die Geiger eine weitere romantische Verlags-Fundsache auf. Dieses Duett Nr. 1 e-Moll ist vom Frankfurter Friedrich Hermann (1828-1907), in Leipzig zu Mendelssohns Zeiten Solobratscher des Gewandhausorchesters. Sinfonisch anmutende, ausladende Themen, raffiniert verarbeitet und vom André-Duo dramatisch aufgeladen – Johannes Brahms scheint da über klanglichen Wassern zu schweben.

Der Beifall für die Interpreten solch guten Tons wollte in Anwesenheit von Mitgliedern der André-Familie nicht enden. Das Publikum darf gespannt sein, was für Kostbarkeiten aus dem André-Archiv bei den weiteren Jubiläumskonzerten auftauchen…